Was ist Likör?

und die Antwort über die Vielfalt an Likörprodukten.

Die Herstellung von Likören geht auf die Mediziner und Alchemisten des Mittelalters zurück. Sie versuchten ihre zum Teil übel schmeckenden Kräuteransätze zu süßen und dadurch tinkbar zu machen. So entstanden die Vorläufer des Hustensaftes und des Kräuterlikörs. Daher sind die überlieferten Rezepturen für Kräuteransätze vielfältig. In der Fachsprache nennt man die verwenden Pflanzenstoffe Drogen, im Unterschied zur landläufigen Bedeutung dieses Begriffes. In jedem alten Likörbuch sind deshalb viele Kräuter und Wurzeln beschrieben, die in unterschiedlichsten Varianten eingesetzt wurden. Doch findet man in alter Literatur auch Rezepturen für Fruchtliköre. So beschreibt A.L. Moewes in seinem „vollständigen Handbuch der Likörfabrikation“ aus dem Jahre 1857 ausführlich die Herstellung von Kirschsaft zur Likörbereitung und schildert bereits Qualitätsprobleme durch starken Bittermandelton durch Zermahlen der Steine, die heute noch genau so auftreten.
Ein Klassiker der Likörbereitung ist Wüstenfeld, erstellte schon in den 1930er-Jahren eine Einteilung der Liköre auf, die fast unverändert bis heute angewendet wird.
Es gibt weiterhin Zubereitungen, die aus „medizinischen“ Anwendungen entstanden sind. Aber natürlich prägt vor allem der Zeitgeist den Likörgeschmack. Klima und Kultur sowie die Verfügbarkeit der einzelnen Grundstoffe haben großen Einfluss. So entstanden Bitterliköre – hauptsächlich Magenbitter – unter denen der „Stonsdorfer“ mit charakteristischen Zutaten in Form von Heidelbeersaft und angesetzten Heidelbeeren bis zum heutigen Tag von Bedeutung ist.
Eine wichtige Gruppe stellen die Kräuterliköre dar, bei denen hauptsächlich Mönche und Klöster die Rezepturen entwickelt haben. Diese wertvollen Originalrezepturen wurden oft über Jahrhunderte geheim gehalten und überliefert. Beispiele hierfür sind „Benediktiner“ und „Chartreuse“, die beide durch ein harmonisches Zusammenwirken aller Inhaltsstoffe weltweiten Bekanntheitsgrad erreicht haben. So besteht ein „Chartreuse“ aus Alkohol, Zucker und 130 verschiedenen Kräuterauszügen und Gewürzen und erhält seine Harmonie durch Reifung in großen Eichenholzfässern. Darin liegt die Kunst, einen Kräuterlikör herzustellen.
In vielen Büchern findet man noch die Bezeichnung Fruchtlikör als synonym zum sogenannten „Damenlikör“. Darunter versteht man Rezepturen sehr süßer Liköre mit niedrigem Alkoholgehalt. Zuckergehalte von bis zu 35% sind dort beschrieben, dies wäre heutzutage höchstens noch bei Zitronenlikören vorstellbar. Im Gegensatz zu vielen anderen Rezepturen stellt man schon früh fest, dass bei Fruchtlikören eine Lagerung und Reifung im Holzfass nicht möglich ist, da die Qualität durch eine derartige Lagerung stark beeinträchtigt wird.
Enthalten die Rezepturen Ingwer, Pfefferminz oder Vanille, so bezeichnet man sie als Gewürzlikör, sie zeichnen sich durch ein starkes Aroma aus und sind leicht wieder zu erkennen. Diese Liköre werden meist mit Alkohol angesetzt und anschließend destilliert, daher sind sie sehr fein und reintönig. Gerade durch die Destillation sind die charakteristischen Aromastoffe besonders elegant ausgeprägt und bei ansonsten sehr scharfen Ansätzen wie beispielsweise beim Ingwer findet man hier im gebrannten Ansatz alle Aromen in feiner und abgemilderter Form wieder. Ähnlich gilt auch für Anis und Kümmel.
In vielen Rezepturen ist Wein in verschiedenen Formen zur Verfeinerung enthalten. Weinpunsche oder Weinbrandliköre sind hier typische Vertreter, sie können mit Malagawein und Pflaumenextrakt sowie mit verschiedenen sogenannten „Verfeinerungsstoffen“ wie Rosenöl oder Safran abgerundet werden. Der „Cordial Médoc“, einer der edelsten Liköre dieser Gruppe, besticht durch feinsämige Konsistenz und typisch weinig-blumige Aromakomponenten.
Kakao-, Tee- oder Kaffeeliköre enthalten in sehr geringen Mengen Koffein, sogenannte anregende Alkaloide. Beim Kaffeelikör sind Qualität und Vermahlungsgrad des Ausgangsproduktes sehr wichtig. Ist der Kaffee besonders hochwertig und wird er gleichzeitig höher dosiert, spricht man von einem Moccalikör.
Der Kreis unterschiedlicher Likörgruppen schließt sich mit Honig- und Nusslikören sowie Eierlikör und Sahnelikör. Diese Liköre, die man in der Fachsprache Emulsionsliköre nennt, sind besonders schwer herzustellen und stellen größte Herausforderungen an die Produzenten. Um eine stabile alkoholhaltige Emulsion zu erhalten, muss man das Produkt häufig homogenisieren oder Emulgatoren zusetzen. Trotzdem sind die Produkte nur über kurze Zeit stabil.
Da alle Likörsorten in vielen unterschiedlichen Geschmacksvarianten auf dem Markt sind, gibt es fast auf der ganzen Welt regional völlig unterschiedliche Produkte – und Sie können überall einzigartige Likör genießen.

Über den Autor

Dr. Klaus Hagmann, Dipl.-Ing. Lebensmitteltechnologie, ist seit mehr als 25 Jahren international in Verkauf, Consulting und Engineering von Destillationsanlagen tätig. Sein Aufgabengebiet umfasst die Planung von Brennereien, die Entwicklung von Rezepturen und die fachgerechte Bedienung aller Gerätschaften im Brennereibetrieb. Seine Fachbücher „Schnappsbrennen“, „Technologie der Obstbrennerei“ und „Essig selbstgemacht“ sind vielverkaufte Klassiker.

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