Die Geschichte der Obstbrennerei
und wie die Grundlage zur industriellen Alkoholproduktion gelegt wurde.
Die Destillation von Wein und somit die „Erfindung“ des Alkohols reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück. Zunächst galt Branntwein als Heilmittel und durfte im Mittelalter nur von Mönchen und Ärzten hergestellt werden. Angesetzt mit Kräutern und Wurzeln fand der Alkohol als medizinisch wirksames aqua vitae (lateinisch = Lebenswasser) äußerlich und innerlich Anwendung. Anfangs des 16. Jahrhunderts leitete der Philosoph und Arzt Paracelsus von Hohenheim den Begriff Alkohol aus dem Arabischen ab, wo das Wort al ko hul etwas außergewöhnlich Reines bezeichnet. Der neue Begriff löste mit der Zeit lateinische Bezeichnungen wie aqua vitae ab. Erste Aufzeichnungen über das Abbrennen vergorener Obstrohstoffe findet man aber erst im 17. Jahrhundert. In einer überarbeiteten Ausgabe des Kräuterbuchses von Hieronymus Tragus aus dem Jahre 1630 wird über die Bereitung eines Kirschwassers sowie die Destillation zerstoßener Kirschen mit Wein berichtet (Wüstenfeld/Haeseler,1996). Bereits Ende des 18. Jahrhunderts war eine merkliche Zunahme der Herstellung von Obstbränden zu beobachten. In der gleichen Zeit vollzog sich auch der Wandel des Alkohols vom Heil- zum Genussmittel, mit dem damit verbundenen Missbrauch, der unkontrollierten Herstellung, den Verboten und schließlich dem Erlass einer Branntweinsteuer.
Im Branntweinsteuergesetzt von 1909 ist eine genaue Definition der Obstbrennereien als Betriebe zur ausschließlichen Verarbeitung von Obst, Beeren oder deren Rückständen zu finden. In Deutschland fand man diese Betriebe damals vor allem in Baden-Württemberg, Elsass-Lothringen und Bayern, also in Regionen, die auch heute noch für die Herstellung hochwertiger Destillate bekannt sind.
Schon damals war der Hauptanteil der Obstbrennereien an landwirtschaftliche Betriebe gebunden, die auf einfache Art und Weise mit direkter Befeuerung einer Kupferblase beheizten und durch mehrfache Destillation versuchten, ein trinkbares Produkt zu erzeugen. Die Vergärung der Obstrohstoffe erfolgte nicht selten in einfachen Zementgruben, die nach beendeter Gärung mit Lehm verschlossen wurden. „Nicht ohne wesentlichen Einfluss auf die Qualität des Destillates, sowie auf die Ersparnis an Arbeit und Zeit bei der Destillation selbst, sind die verwendeten Destillierapparate“, bemerkte schon der Oenotechniker Antonio dal Piaz 1894 in einer kleinen Abhandlung über die Obst- und Beerenbranntwein-Brennerei und erkannte damit den Verbesserungsbedarf der Brenngeräte zur Erzeugung hochwertiger Obstbrände. Nur durch ständige technische Verbesserungen ist es möglich geworden, heutzutage in einem Arbeitsschritt aus einer vergorenen Obstmaische ein wohlschmeckendes Destillat zu erzeugen.
Die Destillationsgeräte des frühen Mittelalters waren einfache Apparaturen, mit denen mit mehr oder weniger großem Erfolg versucht wurde, Alkohol aus Wein abzutrennen und zu verstärken. Entscheidend war die Entdeckung der physikalischen Zusammenhänge bei der Destillation, nämlich, dass sich der Alkohol durch Erhitzen des Weins im Dampf anreichert und durch Kühlung als alkoholreiche Flüssigkeit gewinnen lässt. Lange Zeit gab es nur sehr einfache Destillationsgeräte, die aufgrund der Ähnlichkeit mit den spitzen Kopfbedeckungen der Damen dieser Zeit als „Rosenhut“ bezeichnet wurden. Sie bestanden aus einer Feuerstelle und einem Topf, der nach oben in einen hohen kegelförmigen Helm überging. Im Topf wurde der Wein erhitzt, die Dämpfe kondensierten an der kalten Oberfläche des Helms und die alkoholreiche Flüssigkeit wurde schließlich in einer unten im Helm verlaufenden Rinne gesammelt und in einem kurzen Abflussrohr nach außen geleitet. Später wurde das Abflussrohr zum Geistrohr verlängert und zur Kühlung durch ein Wasserfass geleitet. Hochprozentiger Alkohol ließ sich mit diesen Apparaturen nur durch mehrmalige Destillation der gewonnenen alkoholischen Flüssigkeit gewinnen.
1815 erfand Pistorius ein Brenngerät, bei dem die alkoholischen Dämpfe über ein oder mehrere Rückflußkühler geleitet und verstärkt wurden. Mit dieser Apparatur ließ sich erstmals hochprozentiger Alkohol direkt aus der Maische gewinnen, er legte damit die Grundlage zur industriellen Alkoholproduktion
Über den Autor
Dr. Klaus Hagmann, Dipl.-Ing. Lebensmitteltechnologie, ist seit mehr als 25 Jahren international in Verkauf, Consulting und Engineering von Destillationsanlagen tätig. Sein Aufgabengebiet umfasst die Planung von Brennereien, die Entwicklung von Rezepturen und die fachgerechte Bedienung aller Gerätschaften im Brennereibetrieb. Seine Fachbücher „Schnappsbrennen“, „Technologie der Obstbrennerei“ und „Essig selbstgemacht“ sind vielverkaufte Klassiker.
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