Woraus entsteht Essig?
oder die Antwort darauf, wie Branntweinessig entstand.
In Europa ist insbesondere die Herstellung von Wein- und Branntweinessig gebräuchlich. Dabei wird in unserem Kulturraum der zuckerhaltige Saft von Weintrauben durch „wilde“ Hefen, die sich vorwiegend auf der Traubenoberfläche befinden, zu alkoholhaltigem Wein vergoren. Heutzutage wird dieser Prozess in den meisten Fällen durch den Einsatz besonderer Reichzuchthefen optimiert. Der Alkoholgehalt der entstandenen Weine ist im Wesentlichen vom Zuckergehalt der Trauben und der überwiegend vorliegenden vergärenden Hefeart abhängig. Die so gewonnenen Weine können dann direkt durch Essigsäurebakterien zu Essig weiterverarbeitet werden.
Die alkoholhaltigen Vorstufen des Speiseessigs – vor allem Wein und Obstmoste, aber auch Bier – werden, wenn sie Sauerstoff ausgesetzt sind, schnell von Essigsäurebildern infiziert. Weine und Obstmoste sind also wenig stabil und das Schlimmst ist, dass sie durch die Versäuerung ihren Alkoholgehalt mindern oder ganz verlieren. Um solche Verluste zu verhindern, beschäftigt man sich schon seit langer Zeit mit der Problematik der Alkoholerhaltung durch Konzentrieren des wertvollen Produkts. Kurz gesagt: Seit mehr als 5000 Jahren befasst sich die Menschheit mit der Aufkonzentrierung von Alkohol, insbesondere durch Destillation.
Mit den ältesten Brenngeräten wurde nicht Alkohol gewonnen, es wurden vielmehr Kräuterauszüge oder Rosenöl für die Parfümherstellung produziert. Dies gelang vor allem deshalb, weil die Wert gebenden Bestandteile, die ätherischen Öle, einen niedrigeren Siedepunkt haben als Wasser. Die erste Destillation von Alkohol erfolgte um das 11. Jahrhundert an der Universität von Salerno. Die mit diesen Brenngeräten erreichbaren Alkoholausbeuten waren denkbar gering und das erhaltene Produkt derart kostbar, dass „aqua vitae“ nur als Medizin Verwendung fand. Erst nach der Entwicklung wirkungsstärkerer Kühler konnte um 1400 Alkohol in größeren Mengen wirtschaftlich hergestellt werden. Im 19. Jahrhundert erfolgte die wissenschaftliche Ausarbeitung moderner Destillationstechniken, die heutigen Brenngeräte sind weitgehend darauf zurückzuführen. Für die Essigbereitung hatte dies zur Folge, dass auch Lösungen mit wesentlich höheren Alkoholkonzentrationen als die in Wein und Obstmosten vorhandenen als Ausgangsmaterial herangezogen werden konnten. Derartige Rohstoffe ermöglichten höhere Essigsäuregehalt im Endprodukt, es entstand Branntweinessig.
Über den Autor
Dr. Klaus Hagmann, Dipl.-Ing. Lebensmitteltechnologie, ist seit mehr als 25 Jahren international in Verkauf, Consulting und Engineering von Destillationsanlagen tätig. Sein Aufgabengebiet umfasst die Planung von Brennereien, die Entwicklung von Rezepturen und die fachgerechte Bedienung aller Gerätschaften im Brennereibetrieb. Seine Fachbücher „Schnappsbrennen“, „Technologie der Obstbrennerei“ und „Essig selbstgemacht“ sind vielverkaufte Klassiker.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!